Peter Resetarits (ORF):
Zum nächsten Fall!

Da hat sich der Betreiber eines Wiener Szenelokals an uns gewandt, weil er um seine Geschäftsräumlichkeiten fürchtet. Zitat: „Das Cafe Concerto und damit ich als Betreiber sind unverschuldet in Not geraten und bitten um Ihre geschätzte Unterstützung. … Es droht der unverschuldete Konkurs.“

Screenshot - Es droht der unverschuldete Konkurs
Screenshot - Es droht der unverschuldete Konkurs

Das alles sei wegen nicht durchgeführter Sanierungsmaßnahmen des Vermieters passiert. Er vermutet, dass ihn der draußen haben möchte, um die rund 500 m² am Wiener Gürtel teurer vermieten zu können.

Markus Preslmayr hat im Wiener Underground zu recherchieren begonnen.

Markus Preslmayr (ORF):
Hier am Wiener Lerchenfeldergürtel, wo tagsüber die Autos über die Straße donnern, wird für Nachtschwärmer die Nacht zum Tag. Das Cafe Concerto ist wohl so etwas wie eine Institution des Wiener Nachtlebens. Mit Konzerten und Partys bis in die Morgenstunden.

Screenshot - Plakat - We´ll be back --- wir können schwimmen. Auch die Langstrecke
Screenshot - Plakat - We´ll be back --- wir können schwimmen. Auch die Langstrecke

Doch die gibt es hier schon länger nicht mehr, denn das Concerto ist seit September 2020 geschlossen. Und nach eigenen Angaben auch in Not.

Screenshot - Plakat Ausschnitt – Wir brauchen eure Hilfe --- mehrerer Kanalgebrechen nicht benutzbar

Grund dafür sei ein Streit mit den Hauseigentümern. Es geht um Schäden, die der Vermieter angeblich nicht beheben wollte. Und es geht um Mieten, die der Lokalbetreiber deswegen nicht bezahlt hat.

Stammgäste, Musiker, Mitarbeiter des Lokals. Sie alle sind entsetzt.

Hary Wetterstein:
Ich find das Concerto ist ein wichtiger Platz, um Musiker kennenzulernen und als Plattform, wo man Sachen ausprobieren kann, ohne sofort auf der ganz großen Bühne stehen zu müssen.

Laura Rafetseder:
Also ich würd sagen, dass die Singer-Songwriter-Szene der Nullerjahre hätt´s so nicht gegeben ohne das Cafe Concerto - kann ich einmal so behaupten.

Betty Shine:
Das war mein erstes Lokal, wo ich angefangen hab. Das war 2019 und da hab ich alle meine Freunde da im Concerto kennen gelernt.

Markus Preslmayr (ORF):
Begonnen hat die Misere mit Corona. Als die Nachtgastronomie sperren musste, hat der Betreiber des Lokals einen Flohmarkt eingerichtet, um sich über Wasser zu halten.

Heinz Seidl führt das Concerto seit dem Jahr 2002. Nicht weil er damit viel Geld verdienen würde, sondern aus Liebe zur Musik.

Herr Seidl erzählt, er hätte im August und September 2020 zwar versucht, trotz Corona-Maßnahmen aufzusperren. Doch als Nachtlokal sei das mit vorgezogener Sperrstunde nicht möglich gewesen.

Heinz Seidl:
Die Menschen kommen meistens erst gegen neun: Eine Stunde vor der Sperrstunde. Da war a bissl was los, aber hat sich ned rentiert. Für mich ohne Schanigarten war das uninteressant.

Markus Preslmayr (ORF):
Der Grund, warum das Lokal vor dem Aus steht, sei aber gar nicht Corona, sondern gravierende Schäden im Lokal, die die Vermieter teilweise jahrelang nicht behoben hätten.

Screenshot - Rinnspuren und abgeblätterter Putz im H-WC EG

Im Juli 2021 wurde etwa das Lichthofdach des Lokals bei einem Starkregen beschädigt.

Heinz Seidl:
Mehrere Löcher sind da entstanden. Da war das mit Fäkalien versetze Kanalwasser und das verdreckte Lichthofdach mit toten Tauben et cetera. Diese ganze Kloake ist ständig hineingeronnen. Das hat zur Geruchsbelästigung usw. geführt. Nachdem es keinen Boden-Siphon gibt, hat sich das in den Räumlichkeiten verteilt. Und die Mauern haben es aufgesaugt.

Screenshot des erwähnten Videos

Markus Preslmayr (ORF): 
Herr Seidl zeigt uns ein Video, auf dem besagte Flüssigkeiten zu sehen sind.

 

Heinz Seidl:
Nachdem oben kein Boden-Siphon ist und hier unten auch nicht, ist das Wasser in die Mauer hineingeronnen. Da hat es den Putz so durchfeuchtet, dass es ihn weggedrückt hat. Und hier beim Damen-WC ist auch extrem viel Wasser runtergekommen. Das ist dann in den Party-Raum und im den Konzert-Raum geronnen.

[Anm.: 8 ½ Monate dauerte es, bis die Hausinhaber die Dachhaut erneuerten und diese endlich dicht war! Bis zum 5.9.2023 dauerte es, bis dieser Sanierungsabschnitt baurechtskonform abgeschlossen wurde!]

[Anm.: Parallel zu dem kaputten Lichthofdach gab es mehrere Kanalgebrechen. Nach Meldung dieser Schäden dauerte es mindestens 6 bis 14 Tage bis die Hausinhaber den Kanal durch einen Kanalräumer „provisorisch“ freiräumen reinigen ließen]

Markus Preslmayr (ORF):
Auch ein Wasserrohrbruch in der darüberliegenden Wohnung kurze Zeit später habe laut Herrn Seidl Schäden im Lokal verursacht.

[Anm.: Dies war der einzige Schaden, der anstandslos von der Versicherung der Hausinhaber übernommen wurde. Allerdings dauerte es fast 1 Jahr bis zum Abschluss der diesbezüglichen Sanierungsarbeiten … Einige wenige Punkte wurden gar nicht oder mangelhaft ausgeführt]

Screenshot - 3rd Floor - Schimmelbefallene Mauer inkl. dunkle Flecken

Und auch im Keller gibt es ein Problem mit Feuchtigkeit, denn die Mauern seien undicht und so könne Wasser von der Straße ins Lokal rinnen.

Heinz Seidl:
Da gibt es massive Feuchtigkeit-Eintritte. Laut Bescheid der Baupolizei ist das unbedingt zu sanieren. Da sieht man die dunklen Flecken, wo das meiste Wasser reinkommt.

Markus Preslmayr (ORF):
Weil er das Cafe Concerto wegen der zahlreichen Schäden nicht aufsperren könne, hat Herr Seidl vor zwei Jahren die Mietzins-Zahlungen eingestellt.

Dürfen Mieter das?

Resetarits (ORF):
Die Mieter haben tatsächlich das Recht, die Miete zu reduzieren, wenn sie das Mietobjekt nicht mehr so benützen können, wie das vereinbart worden ist. Das gilt dann für die Dauer der Beeinträchtigung oder der Unbrauchbarkeit der Wohnung oder eines Büros oder eines Lokales.

Um wie viel man die Miete reduzieren darf, dazu gibt es viel Judikatur. Also Einzelfallsentscheidungen, in denen festgelegt wurde, wann man 10, 20 oder 100 % reduzieren darf. Eher weniger, bis zu 25% ist das etwa bei Lärmbelästigung. Eher mehr bei z.B. groben Wasserschäden. Je nach Ausmaß geht das bis zu 100% Mietzinsminderung, etwa bei Schimmel mit Abbröckeln von Malerei und Verputz.

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass behördlich verordnete Kundenbeschränkungen, etwa wegen Covid-Lockdowns eine Mietzinsminderung bei der Geschäftsraummiete rechtfertigen.

Aber wenn der Mieter den Zins nach eigener Einschätzung nicht zahlt, riskiert er, wiederum geklagt zu werden. Auf Mietzahlung und vielleicht sogar auf Räumung.

Markus Preslmayr (ORF):
Wegen der ausbleibenden monatlichen Mietzahlungen von knapp 6000 € für die 530 m2 haben die Hauseigentümer Herrn Seidl im Juli 2022 den Mietvertrag für das Cafe Concerto gerichtlich aufgekündigt.

Mit der Begründung, Herr Seidl hätte in der Corona-Zeit sehr wohl aufsperren können - nur eben als Tagesgeschäft und mit Speisen zum Abholen. Und außerdem hätte man den Großteil der Schäden auch behoben. Und das Lokal hätte man ja trotz Schäden aufsperren können.

[Anm.: Durch die Richterin und die Judikatur wurden wir von dieser Verpflichtung entbunden. Schließlich sind wir ein Club bzw. eine Nachtgastro Location]

[Anm.: Bzgl. der behobenen Schäden ist nicht ein „Großteil“, sondern ein „Bruchteil“ zutreffend. Dies sieht man auch daran, dass seit Ende Mai bis Anfang September 2023 die verschiedensten Handwerksbetriebe und Sanierungsfirmen / Firmen ungefähr 10 Wochen sanierungstechnisch im Einsatz waren. Das Ganze war keine Lappalie, sondern eine Abfolge von multiplen Schadensereignissen. Weiters gab es auch Planungs- und Ausführungsfehler der beteiligten Firmen …]

[Anm.: Trotz Schäden aufsperren war auch, wegen der, nicht in genügendem Ausmaß vorhandenen Sanitärräumlichkeiten nicht möglich.

Im Bereich der sanitären Anlagen gab es auf über 20 Meter Länge keinen Meter, der nicht saniert bzw. erneuert werden musste.]

Ein Interview wollte uns niemand geben. Der Anwalt der Vermieter hat uns damals aber am Telefon gesagt, er vermute, dass Herr Seidl gar nicht mehr aufsperren will. Und er hat uns geschrieben, Zitat:

„Der Vormieter des Herrn Seidl, Herr Franz Göhl, hat im Zeitraum zwischen 1952 und 1979 sukzessive Flächen im Erdgeschoss und Keller des gegenständlichen Hauses angemietet und dadurch ein rund 520 m2 großes Lokal geschaffen. In dieses wurde seit nahezu 50 Jahren, teilweise seit mehr als 60 Jahren nichts Relevantes investiert. Herr Seidl schreibt selbst auf seiner Homepage unter dem Button „Lokal“, dass sich das Lokal im Stil der sechziger Jahre befindet. Das könnte grundsätzlich sehr schön sein, wenn es auch entsprechend gepflegt und gewartet wäre. Tatsächlich ist es aber nur extrem abgenutzt und beschädigt. […]“

[Anm.: Opfer Täter Umkehr. Die angesprochenen Abnützungen und Beschädigungen sind eine Folge der mehrfachen Kanalgebrechen, der 8 ½ Monate mit andauernden Überschwemmungen, die allesamt in den Verantwortungsbereich der Hausbesitzer fallen.

Zu der Behauptung, dass nichts Relevantes investiert wurde, entgegnen wir, dass hier schon größere Ausgaben getätigt wurden. U.a. Elektrik, Schallschutz, Fluchtwege, Notbeleuchtung …

Ohne diese Investitionen und weitere, oben angezweifelte Wartungsarbeiten wären die, durch die Behörden vorgeschrieben regelmäßigen Prüfbefunde nicht zu erhalten gewesen]

Ob Herr Seidl seine Miete zu Recht einbehalten hat, darum geht es heute hier am Bezirksgericht Hernals. Donnerstag, 4. Mai 2023: Es ist bereits die dritte Verhandlung im Kündigungsprozess. Wir treffen Herrn Seidl und seinen Rechtsanwalt Mag. Moritz Winter.

RA Winter:
Ich erwarte mir zu Beginn einmal natürlich, dass die Vergleichsgespräche, die wir bei den letzten Terminen geführt wurden, jetzt vielleicht noch einmal intensiviert werden. Auch unter Anleitung der Richterin sozusagen, denn die Richterin hat sich wirklich bei den ersten Terminen aus meiner Sicht gut eingebracht.

Markus Preslmayr (ORF):
Auch am Tag der Verhandlung will sich die Gegenseite nicht vor der Kamera zum Verfahren äußern, aber man schreibt uns:

„Es ist unstrittig, dass Herr Seidl so wie die gesamte Gastronomie unter Covid-19 massiv gelitten haben. Jegliche Beschränkungen sind jedoch seit April 2022 weggefallen und Herr Seidl sperrt sein Lokal trotzdem nicht auf; er macht

Screenshot - Stellungnahme des Anwalts der Vermieter --- behaupteter Mietzinsrückstand von € 111.426,77

nicht einmal Vorbereitungsarbeiten dafür. Richtig ist, dass es im Juli 2021 in der über Herrn Seidl gelegenen Wohnung zu einem Wassergebrechen gekommen ist, wodurch auch das Lokal in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dieser Wasserschaden wurde von meinen Mandanten behoben und es gab nun auch seit über einem Jahr keinen Wasserschaden mehr. Warum Herr Seidl trotz allem das Lokal nicht öffnet, ist nicht nachvollziehbar und liegt ausschließlich in seinem Bereich. Seither ist auch ein erheblicher Mietzinsrückstand angelaufen ist. Auch nach Abzug der covidbedingten Schließzeiten beträgt der Mietzinsrückstand derzeit EUR 111.426,77. […]“

[Anm.: Multiple Schadensereignisse (u.a. mehrere Kanalgebrechen, kaputtes Lichthofdach usw.) auf den oben erwähnten, einen Wasserschaden zu reduzieren ist weit von der Realität entfernt.

Mit 9 E-Mails, 3 WhatsApp Nachrichten samt dokumentierenden Fotos meldeten wir neu hinzugekommene Schäden, wie auch die schlimmer werdende Lage. Nach 197 Tagen erhielten wir dann die erste Antwort.

Dieses beratungsresistente und obstinente Verhalten wurde bis zum letzten Verhandlungstag (mit Ausnahme der letzten Stunde, wo die Richterin eingriff) hartnäckig durchgezogen.]

RA Winter:
Insgesamt kommen wir sogar auf ein Guthaben unseres Mandanten. Während den Lockdowns für die Gastronomie konnte Herr Seidl einfach nicht aufsperren. Deswegen entfällt der Mietzins ex lege. Da gibt’s eine Bestimmung im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch.

Markus Preslmayr (ORF):
Herr Seidl hätte laut seinem Anwalt aber auch nach Corona keinen Mietzins geschuldet, weil das Lokal nicht benutzbar gewesen sei.

RA Winter:
Das Problem ist einfach, dass die Bausubstanz des Bestandobjekts einfach schon sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde, weil einfach die letzten, 10, 20, 30 oder mehr Jahre einfach von den Eigentümern offenbar nichts in die Bausubstanz investiert wurde und auch keine Erhaltungsarbeiten durchgeführt wurden.

Markus Preslmayr (ORF):
Während der Verhandlung versucht die Richterin dann, zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. Heute hat sie damit offenbar Erfolg. Drei Stunden später ist sie vorbei.

Herr Mag. Winter, wie war die Verhandlung? Offenbar gibt´s ein Ergebnis.

RA Mag Winter und Heinz Seidl beim Interview nach der 3-stündigen Verhandlung

RA Winter:
Genau! Wir haben drei Stunden lang einen Vergleich verhandelt. Es ist keine einzige Frage in förmlicher Hinsicht an die Parteien gestellt worden. Wir haben lange verhandelt. Der Herr Seidl und ich sind des Öfteren rausgegangen und haben uns besprochen. Wir haben uns jetzt geeinigt mit der Gegenseite.

Markus Preslmayr (ORF):
20.000 € in Raten muss Herr Seidl an Miete nachzahlen, die verbleibenden Schäden werden die Vermieter im Gegenzug beheben.

Markus Preslmayr (ORF):
Wie geht´s Ihnen? Sind Sie erleichtert, dass jetzt doch zumindest diese Kündigung vom Tisch ist?

Heinz Seidl: 
Erleichtert bin ich ned. Russisches Roulette. Irgendeine Panne und ich bin im Konkurs.

Markus Preslmayr (ORF):
Herr Seidl hofft, dass er die 20.000 € in Raten irgendwie auftreiben kann. Notfalls mithilfe von Spenden.

Peter Resetarits (ORF): 
Eigentlich wollte Herr Seidl schon Ende August aufsperren, aber bei den Sanierungsarbeiten sei es wieder zu Verzögerungen gekommen. Er hofft, dass er Ende September wieder aufsperren kann.


Weitere Hintergrundinfos: Unverschuldet in Not - Die ganze Geschichte